Demokratie und Vielfalt fördern: Ein Blick ins eigene Team 

Im Rahmen einer Fortbildung haben wir uns mit Vorurteilen im Arbeitsalltag beschäftigt. Unsere Learnings.

In letzter Zeit erleben wir mit Besorgnis das kontinuierliche Erstarken rechtsextremer und anti-demokratischer Parteien. Besonders Personen, die nicht der weißen, privilegierten Mehrheitsgesellschaft angehören, leiden unter diesen Entwicklungen und werden systematisch diskriminiert. Die Anzahl von Hasskriminalität gegenüber queeren Personen steigt stetig und der Backlash in Sachen Frauenrechten und weiteren sozialen Gruppen wird immer sichtbarer. Diese Entwicklung betrifft uns alle. 

Als Initiative Offene Gesellschaft ist es unsere Mission, für eine demokratische und inklusive Gesellschaft einzutreten. Dafür ist es uns wichtig, unsere eigenen Strukturen und Prozesse zu überprüfen und aktiv daran zu arbeiten, ein Vorbild für Diversität und Inklusion zu sein. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, an einem Unconscious Bias Training – geleitet von den Expert*innen Luka Özyürek und Rea Eldem von IN-VISIBLE – teilzunehmen.  

Diese Fortbildung war nicht nur eine Chance, uns selbst zu reflektieren und unser Wissen zu erweitern, sondern auch ein notwendiger Schritt, um unsere internen Prozesse zu analysieren und sicherzustellen, dass wir in unserer Organisation eine Kultur des Respekts und der Wertschätzung leben.

Unconscious Bias – Unsichtbare Fallen unseres Denkens 

Bias sind kognitive Verzerrungen oder Abkürzungen im Kopf, die auf den automatischen und unbewussten Prozessen unseres Gehirns basieren. Sie sind für unsere Fähigkeit, in der Welt zu navigieren, unerlässlich. Denn: In Gefahrensituationen können wir so schnelle Entscheidungen treffen, beispielsweise wenn wir auf eine Schlange treffen. Allerdings können diese automatischen Reaktionen auch zu unbewussten Vorurteilen führen, die diskriminierend sind. 

Bias im Arbeitsalltag entlarven 

Wir haben verschiedene Bias im Training kennengelernt und reflektiert, welche davon wir bei uns selbst festgestellt haben. Neben dem Gender und Race Bias (Vorurteile basierend auf zugeschriebenem Geschlecht oder Herkunft), spielt beispielsweise der Affinity Bias eine Rolle, da wir tendenziell Menschen bevorzugen, die uns ähnlich sind. Dieser Bias kann dazu führen, dass wir Menschen, die „anders“ aussehen oder sich „anders“ verhalten als wir selbst, benachteiligen und zum Beispiel nicht zu einem Bewerbungsgespräch einladen. In Deutschland betrifft dies vor allem Personen, die nicht die Privilegien der weißen Mehrheitsgesellschaft genießen. Wir sehen dies äußerst kritisch, aber mussten uns während des Workshops eingestehen, dass wir selbst nicht befreit von Vorurteilen sind. 

Hannah Göppert, Co-Geschäftsführerin der Initiative Offene Gesellschaft: “Der Affinity Bias hat uns gezeigt, wie stark wir dazu neigen, Gleichgesinnte zu bevorzugen. Gerade weil dieser Bias alle betrifft und sich nicht komplett vermeiden lässt, ist es wichtig, dass wir ihn uns bewusst machen und – beispielsweise in Vorstellungsgesprächen – doppelt hinschauen, welche Person wir warum für besonders gut passend halten.”

Ein weiterer wichtiger Aspekt war das Phänomen des Group Think, bei dem die Meinung der Gruppe überschätzt wird. Individuelle Ansichten werden so unterdrückt und Entscheidungsfindungen tendenziell beeinflusst. Um diesem Bias methodisch entgegenzuwirken, werden alle Meinungen zunächst einzeln schriftlich festgehalten, bevor sie in der Gruppe diskutiert werden. 

Umgang mit Mikroaggressionen am Arbeitsplatz 

Ein besonders eindrucksvoller Moment während des Trainings war die praktische Übung, um Mikroaggressionen, also subtile, oft unbeabsichtigte Beleidigungen oder Abwertungen, zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren. Diese können im Arbeitsalltag großen Stress und Unwohlsein für Betroffene verursachen. Wir haben Strategien entwickelt, wie man bei Vorfällen schnell handeln kann, um diskriminierenden Kommentaren und Verhaltensweisen entgegenzutreten und Solidarität mit Betroffenen zu zeigen.  

„Wenn ich schweigend daneben sitze, mache ich mich mitschuldig. Die praktischen Übungen haben mich ermutigt, immer lieber etwas zu sagen, wenn ich Kommentare mitbekomme“, teilt Bianca aus dem IOG-Team ihr Learning. 

Nun arbeiten wir daran, einen Verhaltenskodex für die Organisation zu erstellen, der in internen Meetings und Kooperationen mit Externen beachtet werden muss. Wenn es zu unangebrachten Situationen kommt, kann man sich auf diesen Kodex berufen und weitere Schritte einleiten. 

Die nächsten Schritte: Umsetzung im Alltag 

Unsere Reflektion endet nicht mit der Fortbildung. Vielmehr hat sie den Startschuss für eine Reihe von Maßnahmen gegeben, die wir in den kommenden Monaten und Jahren umsetzen wollen.  

  • Möglichkeiten zur Selbstreflexion schaffen: Dafür stellen wir Ressourcen und Materialien zur Verfügung (z. B. Literatur, Filme, Reflexionsfragen in Team-Meetings).  
  • Feedbackkultur fördern: Methoden und Räume für ehrliches und konstruktives Feedback ermöglichen  
  • Rollen- und Aufgabenverteilung in Meetings: wir möchten uns mehr Zeit lassen, Entscheidungen auslagern und mögliche Vorurteile reflektieren, warum wir wem eine Rolle (nicht) zutrauen. Das kann zum Beispiel dazu beitragen, neue oder jüngere Teammitglieder zu ermutigen, größere Rollen zu übernehmen. 
  • Bewerbungsprozess überarbeiten: Ziel ist eine inklusive Sprache in Stellenangeboten und vielfältigere Auswahlkriterien zu gewährleisten. Indem wir uns damit beschäftigen, welche Perspektiven aktuell in unserem Team vorhanden sind, können wir bewusst nach fehlenden Perspektiven suchen. 
  • Regelmäßige Teilnahme an Fortbildungen zum Thema.  
  • Awareness-Strukturen und Fokus auf Barrierefreiheit für unsere Veranstaltungen, um für mehr Sicherheit zu sorgen und die Teilnahme für mehr Menschen zu ermöglichen.  
  • Feste Ansprechpersonen für Diversität und Anti-Diskriminierung in unserem Team und einen Arbeitskreis, der sich regelmäßig damit befasst, die nächsten Schritte umzusetzen. 

Fazit: Unser Weg zu mehr Diversität 

Das Unconscious Bias Training mit IN-VISIBLE war für uns ein wertvoller Schritt auf dem Weg zu einer inklusiveren und gerechteren Arbeitskultur. Wir haben gelernt, einige unserer eigenen Vorurteile zu erkennen und Strategien entwickelt, um diese zu überwinden. Uns ist bewusst, dass dies ein kontinuierlicher Prozess ist, der Engagement und Achtsamkeit erfordert. Wir sind entschlossen, diesen Weg weiterzugehen und unsere Organisation so zu gestalten, dass sie ein Ort der Vielfalt und Inklusion wird. 

Die Trainer*innen von IN-VISIBLE haben eine vertraute und offene Atmosphäre kreiert. Von Anfang an war klar, dass die Fortbildung ein sicherer Raum für alle Teilnehmer*innen ist, in dem Ehrlichkeit und Verletzlichkeit nicht nur erlaubt, sondern erwünscht sind.  Wir sind dankbar für die empathische und kompetente Begleitung durch IN-VISIBLE und empfehlen ihre Fortbildungen jeder Organisation, die daran interessiert ist, interne Diversität und Inklusion zu fördern. 

Der Ansatz von IN-VISIBLE

IN-VISIBLE wurde gegründet, um akademisches Wissen aus den Gender Studies für den Arbeitsplatz nutzbar zu machen und herkömmlichen Ansätzen etwas entgegenzusetzen. Oft schlagen Diversity-Workshops und Beratungsangebote immer wieder in dieselbe Kerbe: Sie richten sich an Frauen und Minderheiten und „helfen” ihnen, damit sie in Führung gehen können.  

Der Ansatz von IN-VISIBLE ist anders. Anstatt Betroffenen von Diskriminierung die Verantwortung für einen Wandel hin zu mehr Diversität zuzuschieben, lädt IN-VISIBLE das ganze Team ein, mitzumachen. Hierzu gibt es Beratungsangebote, Workshops, Vorträge und eine Masterclass für Diversity Manager*innen.