Aus dem 7. Teil der was wäre wenn-Reihe:
Was wäre, wenn Bildung nie aufhörte?
In seinem fünfzehnminutigen Dokumentarfilm Gadające głowy (Talking Heads) aus dem Jahr 1980 stellt der polnische Regisseur Krzysztof Kieślowski Menschen im Alter von eins bis einhundert zwei Fragen: Wer bist du? Was ist dir wichtig, was möchtest du im Leben?
Ein sechsjähriges Mädchen antwortet: “Ich bin eine hässliche Brünette und würde gern nicht zur Schule gehen und ein schönes Kind haben”, ein nachdenklicher Zweiundzwanzigjähriger erklärt: “Ich bin Student, also bleibt mir noch ein bisschen Zeit, bevor ich mich festlegen muss und eine Entscheidung treffe, die für den Rest meines Lebens gilt”, und ein Vierundsiebzigjähriger sagt: “Nicht alle unsere Wünsche sind in Erfüllung gegangen. Ich wünsche mir, dass sie sich für meine Söhne und Enkel erfüllen.” Die Antwort der Hundertjährigen lautet schlicht: “Was ich möchte? Ich möchte länger leben.”
Die im Film festgehalten Aussagen sind vielfältig und kreisen doch immer wieder um dasselbe Thema: Wie lebe ich als Einzelne*r in der Gesellschaft, welchen Platz habe ich in ihr und wie kann ich mit meiner Umwelt in Beziehung treten? Für ein paar Sekunden sieht man individuelle Gesichter, sieht wie Menschen einen kurzen Einblick in ihr Innerstes geben und erhält doch ein Bild der Zeit, in der diese Menschen leben. Man erhält ein Gesellschaftsporträt.
Was hättest du schon immer gerne gelernt?
Wir haben Kieślowskis Idee für unser aktuelles Thema adaptiert und unterschiedlichen Menschen Fragen zum lebenslangen Lernen gestellt. Denn gerade im Lernen befragen wir uns und unsere Welt, entwerfen Bilder von Vergangenem und Gegenwärtigem und können uns darüber verständigen, wer wir als Menschen und Gesellschaft sind und sein möchten.
Von Kindern und Jugendlichen wollten wir deshalb wissen, was sie lernen, das sie cool und wichtig für ihr Leben finden. Ihre Antworten zeigen, dass die Schule nicht die zentrale Rolle spielt, die man vielleicht erwartet hätte. Man könnte dies als Inspiration nehmen und fragen, ob unsere Jüngsten tatsächlich jeden Tag mehrere Stunden bloß in einem Schulgebäude im Frontalunterricht sitzen sollten oder ob sie durch eine Öffnung der Strukturen nicht besser auf das Leben in der Gesellschaft vorbereitet würden. Was wäre, wenn es nicht nur um die Vorbereitung auf einen Beruf und den Markt ginge, sondern darum, mündige und autonome Bürger*innen auf ihrem Weg zu unterstützen?
Mit Blick hierauf haben wir Erwachsene gefragt, was sie gern früher im Leben gelernt hätten. Es ist eine offene Frage, die sich auf Schule und Ausbildung beziehen kann, aber nicht zwingend muss. Bei den Überlegungen, die wir hier teilen dürfen, dreht sich viel um praktische Fertigkeiten, um eine Weitung des Blicks auch jenseits von purem Wissen und akademischer Qualifikation und um die Reifung als Mensch: Liebesbriefe schreiben, den Alltag bewältigen, andere Menschen besser wahrnehmen, den Status quo kritischer betrachten, aber eben auch, sich anders verorten. Wo Raum für Bildung ist, zeigt sich die Freiheit, sich und seine Umwelt zu erleben und neu denken zu können.
Und warum lernen Senior*innen heute etwas, wenn sie sich nicht mehr auf ein Berufsleben vorbereiten müssen, wenn sie sich doch eigentlich schon bewährt haben? Auch hier geht es viel um Gemeinschaftlichkeit, um einen Blick über den eigenen Tellerrand und das Gefühl, eine Antwort auf die Frage zu haben: Wer bist du und was ist dir wichtig im Leben?
Gylfi, 3, Greifswald
Nichts… das schwere Lied … ABCF…. Und Klettergerüst.
Paula, 12, Potsdam
Ich lerne über neue Klamottenstile, die ich cool finde, weil man sonst Sachen trägt, die voll alt sind. Das mag ich nicht. Ich sehe das irgendwo, also auf TikTok oder ich sehe jemanden, der auf der Straße so rumläuft. Dann finde ich das schön. Manchmal sehe ich Apps oder Tricks und Techniken beim Malen, die ich sofort ausprobiere. Das sehe ich auch auf TikTok oder bei Freund*innen.
Betül Torlak, 16, Berlin
Bildung ist ein lebenslanger Prozess, der für mich nicht nach der Schulzeit oder dem Studium aufhören wird.
So verrückt es auch klingen mag: Ich finde Schulbildung auch gar nicht mal so übel. Auch wenn man sich bei einigen Fächern echt manchmal fragt, wozu und vor allem wann man das gebrauchen kann, finde ich die meisten Fächer ganz interessant.
Besonders gefällt mir das mehr oder weniger neu eingeführte Fach Politische Bildung, welches seit diesem Schuljahr auch endlich ein eigenständiges Fach geworden ist. Dort sprechen und lernen wir viel über Themen, wie z.B. die Demokratie in Deutschland oder auch über die Gewaltenteilung innerhalb einer Demokratie. Besonders freuen wir uns aber, wenn es um aktuelle politische Themen geht und wir am Diskurs teilhaben können.
Das hätte meines Empfindens nach schon viel früher einen Platz im Stundenplan finden sollen. Immerhin sind wir in wenigen Jahren schon wahlberechtigt. Da ist es gar nicht mal so schlecht, wenn der ein oder andere, der normalerweise weniger was mit Politik am Hut hat, sich trotzdem mal damit auseinandergesetzt hat. Außerdem wurde vielen dadurch klar, dass Politik uns gewissermaßen alle betrifft.
Neben Politischer Bildung finde ich auch Fächer wie Mathe, Physik, Ethik, Geschichte, Wirtschaft und Kunst sehr interessant. Leider wurden die Stunden der Fächer Kunst und Musik enorm gekürzt, sodass wir beide Fächer nur jeweils ein halbes Schuljahr zwei Stunden pro Woche, unterrichtet bekommen. Das finden meine Schulkamerad*innen und ich sehr schade und auch problematisch.
Denn ein Fach wie Kunst hat einen besonders pädagogischen und positiven Einfluss auf die Selbstfindung und Persönlichkeitsentwicklung des Einzelnen und sorgt zudem für eine erholsame Abwechslung des Schulalltags. Wenn dafür im Stundenplan kein Platz mehr bleibt, müssen wir wohl unsere Freizeit dafür aufwenden. Aber das tue ich auch gerne.
Abgesehen vom Künstlerischen eigne ich mir privat auch sehr gerne Wissen rund um die Themen Persönlichkeitsentwicklung, Psychologie und alltägliche Kommunikation an. Das sind wichtige Themen, die uns jede Sekunde (auch unbewusst) beeinflussen. Auch etwas, was definitiv einen Platz im Stundenplan verdient hätte. Solange ich mir den Schulunterricht aber nicht aussuchen kann, eigne ich mir sowas eben in meiner Freizeit an.
Leo Villa, 18, München
Ich besuche die 12. Klasse und bin im letzten Schuljahr. Wir reden in der Schule viel über G8, uns allen fehlt der praktische Aspekt, bei uns ist alles Theorie. Die einzige Ausnahme ist das zweiwöchige Praktikum. Es soll uns ermöglichen, in einen Beruf reinzugucken und zu sehen, ob das wirklich etwas für uns ist.
Das ist die einzige Möglichkeit, mal etwas praktisch und außerhalb der Schule zu machen. Ansonsten ist alles wie im Seminar. Natürlich ist das wichtig und richtig, aber nur in der Schule hocken reicht mir nicht.
Wir hatten an unserer Schule einen Lehrer, der insgesamt sieben Fächer unterrichtet hat. Er ist erst spät Lehrer geworden. Wir waren alle von ihm begeistert. Statt einfach das Curriculum durchzuboxen, hat er sich vorne hingesetzt und zwei volle Stunden Gespräch gestaltet. Wir haben natürlich den Stoff gelernt, aber es war eine lockere Atmosphäre, eine Diskussion auf Augenhöhe. Von ihm habe ich gelernt, wie übergreifend Themen behandelt werden können, dass es sich lohnt, ein bisschen breiter zu lernen und zu lesen und Dinge miteinander zu verbinden. Rein fachlich hat mir das vielleicht nichts gebracht. Aber ich finde allein die Tatsache, dass es Spaß gemacht hat und interessant war, sehr wichtig.
Ich finde den Altersunterschied in der Schule ohnehin krass. Bei uns liegen zwischen den Lehrer*innen und den Schüler*innen im Schnitt 30 bis 40 Jahre. Da lässt sich Augenhöhe natürlich nur schwer herstellen.
Ich würde sagen, dass die Fertigkeiten und Fähigkeiten, die ich in der Schule gelernt habe, wichtiger für mich sind als das Wissen selbst. Wie besorge ich mir Informationen, wie werde ich vom Unwissenden zum Wissenden? Ich weiß, dass ich vieles nicht weiß, aber ich weiß, wie und wo ich es lernen kann.
Außerhalb der Schule lerne ich viel als Fußballtrainer. Dafür beschäftige ich mich mit Biologie, Sporttheorie und -wissenschaft. Ich unterrichte Kinder und Jugendliche und will gar nicht unbedingt Profis trainieren. Mir macht es Spaß, etwas Jüngere zu betreuen. Ich finde es wichtig, weil es mir eine andere Ebene ermöglicht als mit Erwachsenen. Man verbringt mit dem Trainer sehr viel Zeit, manchmal sogar mehr als mit den Eltern. Das ist also eine sehr wichtige Beziehung. Ich habe gelernt, wie man die Körpersprache von Kindern versteht, wie ihre Bewegungen gelenkt werden können, wie man mit ihnen kommunizieren muss, damit sie etwas aufnehmen. Einem Zehnjährigen kann man keinen langen Punkteplan vorlegen, der merkt sich ohnehin nur zwei davon. Das bringt ihm also gar nichts. Man könnte meinen, das seien kleine Dinge, die ich gelernt habe, aber sie haben eine große Bedeutung und sind mir wichtig.
Luisa Neubauer, 23, Studentin und Klima-Aktivistin
Ich wünschte, in der Schule hätte mir jemand beigebracht, dass Erwachsensein ein Mythos ist, und dass es nicht den Moment gibt, wo man erwachsen ist. Und wenn man sich davon verabschiedet hat, dass es diesen Moment gibt, weil man ein Leben lang halt ein bisschen älter wird, dann sind viele Sachen einfacher, weil man dann aufhört, abzuwarten, und anfängt im Heute zu leben.
Tanemasa Rahn, 39, Oberarzt, München und Ingolstadt
Lernen wird häufig als Pflicht wahrgenommen und dadurch negativ behaftet. Auch in meiner Wahrnehmung war dies lange Zeit so. Das macht es für mich selbst heute noch recht schwierig, mich zu motivieren. Leider und gleichzeitig zum Glück ist es aber in meinem heutigen Leben unerlässlich, dass ich lerne.
Zum einen gibt es in meinem Beruf als Arzt ständig neue Erkenntnisse und somit muss ich am Ball bleiben, aber auch jetzt wo meine Kinder in die Schule kommen, muss oder besser darf ich mir über viele Sachen wieder Gedanken machen.
Zunehmend sehe ich das Lernen tatsächlich als große Bereicherung an und wünschte, dass ich dies früher gelernt hätte. Das pure Anhäufen von Wissen oder stumpfe Reproduzieren, wie es im Medizinstudium üblich ist, ist weder befriedigend noch hilfreich und tötet jegliche Motivation. Meine Kinder sind im bayrischen Schulsystem, was in vielen Teilen so ähnlich funktioniert. Wissen muss gelernt werden, weil es entweder schon immer so war oder weil es einen Zweck erfüllt. Aber Lernen, was einen erstmal nicht ersichtlich weiterbringt, ist unerwünscht.
Sich einfach mal umsehen, vielleicht auch mal in etwas verrennen. Sich selbst kennenlernen, über die eigene Identität und nicht nur über das, was Andere in einem sehen oder sehen wollen. Keine klassische Karriere machen und trotzdem einen Weg finden. Das hätte ich gerne früher gelernt und bin froh, dass ich später im Leben Menschen kennengelernt habe, die mir gezeigt haben, dass das geht.
Ali Dönmez, 32, Logopäde und Student, Wiener Neustadt
@alidoenmez1
Wir verbinden Bildung explizit mit Schule und Studium, mit formalen Abschlüssen auf Universitäten oder mit Titeln, die unsere Namen oder gar unsere Identitäten schmücken und ergänzen. Wir verbinden Bildung mit dicken Büchern und eloquenten Wörtern. Bildung im allgemeinen Verständnis hat wohl zurecht einen elitären Ruf. Sie sollte meines Erachtens aber ganzheitlich betrachtet werden.
Jene Menschen, die Angehörige pflegen, einen Garten betreuen, Autos reparieren, Kinder großziehen, und anderen, nicht mit “formaler” Bildung konnotierten Tätigkeiten nachgehen, sind alle gebildeter als ich, der vor 9 Jahren sein erstes Studium (Logopädie) abgeschlossen und fünf Jahre später ein Masterstudium begonnen hat. Mein zweiter Bildungsweg war eigentlich mein erster Berufswunsch: Ich wollte Lehrer werden.
Bildung ist keine Endstation, an der wir ankommen können, sondern ein sich weiterentwickelnder Prozess. Im Laufe unseres Lebens durchlaufen wir verschiedene Phasen, die uns prägen und (ver-)ändern. Bildung ist demnach eine synchrone Perspektive auf all die Dinge, die uns präg(t)en. Ein zwischenzeitliches Resümee. Ein Status quo.
Das ist natürlich die romantisierende Betrachtung eines abstrakten Begriffs durch eine rosarote Brille. Der Wunsch eines Ideals. In der Realität kann Bildung zum Beispiel auch so aussehen: Nach dem Gymnasium wollte ich Lehrer werden, aber eine Lehrperson redete mir den Beruf aus. Grund war der von ihr beobachtete Alltagsrassismus sowohl im Klassen- als auch im Lehrer*innenzimmer. Ich konnte glücklicherweise sowohl einen anderen Bildungsweg einschlagen als auch Jahre später meinen ursprünglichen Bildungstraum verwirklichen. Bevor wir darüber reden, was wäre, wenn Bildung niemals aufhörte, sollten wir uns gesellschaftlich die Frage stellen, ob Bildung für alle in der Gesellschaft gleichermaßen zugänglich ist.
Aminata Touré, 26, Grünen-Politikerin, Vize-Landtagspräsidentin in Schleswig-Holstein, Kiel/Neumünster
Was ich im Nachhinein schade finde, ist, dass ich so wenig über die Einwanderungsgeschichte in Deutschland erfahren habe und wie vielfältig Deutschland eigentlich ist. Was ich in der Schule gelernt habe, demnach könntest du denken, Deutschland ist weiß, Punkt. Und ich glaube, dass das das Selbstverständnis von allen in der Klasse verändert hätte. Wenn immer Schwarze Menschen Thema waren in der Schule, waren es Sklaven oder Bauern, die Hirse anbauen, also sehr eindimensional.
Christian Baden, 39, Kommunikationswissenschaftler, Jerusalem
Seit meiner Schulzeit habe ich Politik und Kommunikation, und leider auch Wirtschaft studiert, mit dem Ziel nicht wie Faust anschließend so klug als wie zuvor zu sein, sondern eben doch das ein oder andere verstanden zu haben. Mit dem Wissen indes kam die Gewissheit, die Zuversicht beurteilen zu können was richtig sei und wichtig.
Natürlich ist es gut zu wissen, wie abwegig der Begriff der Lügenpresse ist, dass Einfuhrzölle wirklich von Konsumenten getragen werden, dass die prekäre Lage vieler Menschen mit dem Zuzug von Flüchtlingen wenig zu tun hat. Aber. Es gibt so unglaublich viele Einsichten, die eben auch wahr sind, denen man aber in humanistischen Gymnasien, Universitäten oder Medien kaum begegnet: Haben die Verlierer des Strukturwandels nicht Recht zu beklagen, dass sich westliche, studierte Eliten nie wirklich um sie scherten, dass postmateriell eingestellte Städter sich eine Öffentlichkeit schufen, in welcher ihre Belange schlicht nicht mehr anschlussfähig sind? Und haben sie nicht ebenso Recht, dass wenig diese Gruppen so wirksam aufhorchen lässt wie rechte Parolen?
Ich habe auf meinem langen Bildungsweg viele Perspektivwechsel mitgemacht, vom bürgerlichen Bonn in das sich neu erfindende Leipzig, nach London, Amsterdam, München. Seit fünf Jahren lehre ich nun an der Universität in Jerusalem, wo nicht nur politische Gegensätze, sondern auch unterschiedliche Wissenswelten aufeinanderprallen. Entwertet mein Wissen über die Historie des Nahostkonflikts das meiner Studierenden, welche diesen Tag für Tag völlig anders erleben? Wie kann ich erklären, dass Nationen letztlich Erfindungen sind, wenn gleichzeitig Nationalität Grundlage ist für Diskriminierung und Gewalt, Solidarität und Schutz? Ich könnte Bücher füllen mit dem, was ich von meinen Studierenden gelernt habe. Ich würde mir wünschen, dass wir auch in der Schule schon lernten, die Welt aus Perspektive derer zu begreifen, die anders sind als wir selbst.
Peter Breuer, Autor und Werbetexter, Hamburg
@peterbreuer
Zwei große Werkbänke im Schreinerkurs, an der linken stehen die Frauen, rechts die Männer. Die Verteilung ergibt sich wie im Klischee von selbst und nun stehe ich zwischen Kerlen meines Alters, die über die perfekte Oberfräse diskutieren. Darf nicht spotten, ich habe den Kurs schließlich von meiner Freundin geschenkt bekommen, die meine Vorliebe für Werkzeuge lange grinsend beobachtet hat.
Was ich beim Fingerverzinken von Holz erlebe, ist eine Lektion in Demut, Geduld und Langsamkeit. Beim Anzeichnen der Aussparungen erinnere ich mich an den Dreisatz, schon beim zweiten Schlag auf den Stechbeitel passt sich meine Körperspannung der Laufrichtung des Materials an und ich spüre, wie mein Denken dreidimensional wird.
“Wann habe ich zuletzt so viel Ehrgeiz entwickelt”, frage ich mich nach den ersten Erfolgen. Die Antwort ist bestechend simpel: Ich habe etwas völlig Neues angefangen und ich kann jeden einzelnen Handgriff für mich selbst feiern, weil ich das verloren geglaubte Gefühl spüre, eine Sache Schritt für Schritt besser zu beherrschen.
Zwar habe ich mich seit diesem Kurs nicht um eine Schreinerlehre beworben, aber ich habe einen großen Teil der gekauften Werkzeuge endlich tatsächlich benutzt. Außerdem habe ich – bevor es zu spät ist – endlich gelernt, wie wichtig es ist, sich einem Ziel langsam und sehr planvoll zu nähern. Das kann man schließlich immer gebrauchen.
Nina Jaros, arbeitet mit Büchern und Menschen, Ostwestfalen
@Ninchen_ohne_Ka
Der Tag, an dem ich mein Maturazeugnis erhielt – ja, ich bin Österreicherin – war für mich ein echter Einschnitt in mein Leben. Für mich war es ein Bruch. Plötzlich hatte das Lernen ein Ende. Es ging mir nicht um Noten, es ging um die Möglichkeit Wissen zu sammeln. Damals glaubte ich, das würde mit der Schulzeit enden. Glücklicherweise habe ich mich da geirrt.
Meine Lieblingsbücher waren Lexika. Vor allem die Tierwelt hat es mir angetan. Aber bis heute finde ich mich immer wieder in naturwissenschaftliche Themen vertieft. Was ich mir gewünscht hätte kann ich allerdings sehr genau sagen: Ich hätte gerne mehr über Vielfalt erfahren. Stattdessen gab es Biologieunterricht, in dem ein binäres Geschlechtermodell und Aufklärungsunterricht, der auf die Fortpflanzung und damit auf Heterosex ausgelegt war. In diese Welt passte ich nie so ganz.
Gerne hätte ich gelernt, wie man Liebesbriefe schreibt. Stattdessen lernte ich Erörterungen und andere sachliche, trockene Texte zu schreiben. Daran wäre meine Lust zu schreiben fast zerbrochen. Den Reichtum der emotionalen Sprache, die Vielfalt von Gefühlen, die man mit Worten ausdrücken kann, das alles habe ich nie gelernt. Zumindest in keiner Schule.
Ich hätte gerne gelernt, wie andere Kulturen die Welt betrachten, welche Gottesbilder sie haben, wie sie die Rechte von Frauen und Minderheiten betrachten. Stattdessen lernte ich auf Landkarten die Grenzen zwischen farbigen Flächen auswendig zu lernen. Grenzen, die sich alle paar Jahre verschieben, verschwinden, neu gezogen werden.
Michel Haebler, Schauspieler, Berlin
Ich habe mich schon öfter gefragt, was ich oder wie ich mit den heutigen Möglichkeiten eines permanent zugänglichen Internets in der Schule gelernt hätte. Es ist soviel einfacher geworden, sich Zugang zu Wissen zu verschaffen. Natürlich alles unter dem Vorbehalt auf Richtigkeit.
Ich nutze die Möglichkeit mit verschiedenen Programmen und Apps zu lernen und mich weiterzubilden und kann alles im Internet sofort erfahren, wann und wo ich will. Das war in meiner Schulzeit als Jahrgang `74 noch anders und ich war angewiesen auf den Lehrplan und musste mich durch Büchermassen mühsam durchquälen. Das heisst, ein Buch heraussuchen, es bestellen, dann darauf warten, dann lesen.
Jetzt schau ich einfach mal kurz auf mein Handy und kann mühelos herausbekommen, wie ich ein bestimmtes Essen zubereite, was root vole auf Deutsch heißt und wie ich am besten eine Trockenbauwand verspachteln kann. Zudem kann ich ein Webinar bei einem Aktienbroker besuchen oder eine App für das Zehn-Finger-Schreibmaschinen-System benutzen und auf Youtube kann ich an einem original Heidegger-Vortrag teilnehmen oder mit einem Tutorial einen Videofilm schneiden.
Ich habe das Gefühl bekommen, alles wissen und machen zu können. Das empfinde ich als enorme Freiheit, denn Bildung ist in meiner Vorstellung nicht mehr ein schulisch zusammengeschnürtes Paket von vorgegebenem Lehrstoff in einer bestimmten Zeit, sondern sollte mehr eine Bildung seiner Fertigkeiten sein, mit allem Wissen umzugehen.
Meine Nichte wird gerade eingeschult und kann schon lange vorher mit dem Internet umgehen. Ich bin gespannt zu erfahren, wie sie in der Schule diese Möglichkeit wahrnimmt und umsetzt.
Verena Reygers, Journalistin und Autorin, Hamburg
@Textartistin
Was wäre, wenn… ich in der Schule etwas Anständiges über Sexualität gelernt hätte? Nicht bloß, dass Frauen monatlich menstruieren, wie die Pille wirkt und wie sich ein Kondom über eine Banane ziehen lässt. Wie toll wäre es gewesen, als Pubertierende mehr über weibliche Lust und Begehren zu erfahren.
Darüber, wie Menschen miteinander kommunizieren können, um einander zu befriedigen. Und dass Befriedigung nicht zwangsläufig Orgasmus heißt – schon gar nicht bei einer Frau. Weil Sex mehr ist als Penetration. Darüber hat aber niemand ein Wort verloren. Genauso wenig, wie über Konsens. Oder über die Klitoris. Ok, ich habe 1996 Abitur gemacht, erst zwei Jahre später hat die australische Urologin Helen O’Connell herausgefunden, welche Bedeutung die Klitoris tatsächlich hat.
Dass sie nicht bloß diese kleine Knospe irgendwo zwischen den Schamlippen ist, sondern dass sie doppelschenkelig weit in den Körper der Frau hineinreicht und sogar stärker anschwellen kann als die Schwellkörper im Penis. Ein Superlativ, den die weibliche Sexualität gut gebrauchen kann. Dann müsste Sexualaufklärung nicht zwangsläufig warnen und mahnen, sondern könnte die positiven Aspekte von Intimität betonen. Masturbation zum Beispiel. Hätte ich in der Schule gelernt, wie wichtig es gerade für Frauen ist, durch Selbstbefriedigung den eigenen Körper zu erkunden, hätte ich nicht jahrelang verschämt über ein Kissen ruckeln müssen. Ein entspanntes Verhältnis zu seinem Körper und seiner Sexualität zu entwickeln, damit kann man nicht früh genug anfangen.
Wolf Adami, Schriftsteller, 41, Niederrheiner im Havelland
Die Schule war mein Zuhause, ich konnte nicht genug vom Lernen bekommen. Trotzdem hätte ich gern noch anderes gelernt als lauter Dinge, die mich auf ein Studium vorbereiten sollten.
Ich hätte gern auf dem Gymnasium gelernt, wie ich im Leben zurecht komme: Wie koche ich? Wie sorge ich dafür, mit dem Geld auszukommen, das mir zum Leben zur Verfügung steht?
Ich hätte gern gelernt, dass ich ein genauso wertvoller Mensch bin, wenn ich nicht an die Uni gehe, keinen Doktor*innentitel bekomme, wenn ich krank und erwerbsunfähig bin und nicht in dieser Leistungsgesellschaft so funktioniere, wie erwartet wird.
Ich hätte gern das Fach Glück gehabt, wie es in Finnland gelehrt wird. Es hätte uns Kindern gut getan, wenn wir nicht nur durch Worte gelernt hätten, dass wir selbstständig denken sollen, Autoritäten hinterfragen sollen, dass wir Rückgrat und Toleranz gegenüber anderen zeigen sollen.
Wir hätten gut daran getan, mit Unterstützung der Lehrenden rauszugehen ins Leben und uns ganz praktisch und gemeinsam mit anderen Menschen darin zu erproben, selbstständige, zuversichtliche und engagierte Persönlichkeiten zu werden, die bei allem Wunsch nach persönlichem Glück und Erfolg nicht vergessen oder verdrängen, zuallererst für die Weltgemeinschaft der Menschen zu handeln und deshalb insbesondere auch für unsere Umwelt und die Tierwelt zu sorgen.
Ich hätte gern gelernt, dass es nicht nur darauf ankommt, ein Leben lang lernen zu wollen, sondern auch darauf, was wir lernen, und wie ich Annahmen und Vorurteile verlerne, wie ich aus Denkmustern ausbreche.
Vieles, was wir für Bedürfnisse halten, sind keine echten und alles angehäufte Wissen bedeutet oft nur, sich bewusst oder unbewusst damit zu brüsten, wie klug, finanziell und beruflich erfolgreich wir sind. Ich hätte gern in der Schule gelernt, dass es viel wichtiger ist, freundlich und liebevoll miteinander zu sein.
Arua Elabd, 26, Lehrerin für Deutsch und Spanisch, Wien
@arya_kaware3
Ich wünschte, ich hätte in der Schule praktisches Wissen erlernt. Im Grunde genommen, bin ich als Lehrerin der festen Überzeugung, dass man in der Schule nicht(s) für das Leben lernt. Man sitzt teilweise bis zu acht Jahre im Gymnasium, nur um allgemeines Wissen anzulernen, das aber im “echten Leben” kaum Anwendung findet.
Natürlich ist ein Basiswissen wichtig, natürlich sollte jede*r etwas über die Wirtschaft, über die Grundkenntnisse der Mathematik, nützliche lateinische Begriffe lernen, jedoch sollte dieses Wissen nicht meine Zukunft beeinflussen und meinen gesamten Lebensweg bestimmen.
In der Schule lernte ich nie etwas über das österreichische Universitätssystem. Ich wusste nicht mal, dass es eine Fachhochschule gab. Ich lernte nie, wie ich mich inskribieren würde oder wie ich eine halbwegs akzeptable PowerPoint-Präsentation erstelle. Nie wurden wir gefragt, was wir eigentlich mit unserem Leben anfangen möchten, sondern wurden mit dieser Frage alleine gelassen. Ich hatte nicht die Möglichkeit meine Stärken zu entdecken; nur meine Schwächen wurden ständig hervorgehoben.
Die Schule klärte mich nicht ausreichend über Bewerbungen auf, sondern erwähnte nur, dass es wichtig wäre, diese gut zu machen. Unter Steuern konnte ich mir Konkretes erst nach meinem ersten Job vorstellen und einen Steuerausgleich kann ich bis heute nicht; dafür erinnere ich mich an den Satz des Pythagoras und weiß, wie ich eine Erörterung schreibe. Die praktische Anwendung fand zwar das letzte Mal vor neun Jahren während der schriftlichen Matura statt, aber anscheinend ist dieses Wissen bis heute von hoher Relevanz.
Im Auftrag der demokratischen Bildung liegt es mir sehr am Herzen, dass die Schüler*innen zu weltoffenen, kritischen Erwachsenen erzogen werden. Es ist schön und gut, wenn sie spanische Vokabeln auswendig können, doch es bringt uns beiden nichts, wenn das Wissen zu den bevorstehenden Wahlen in Österreich fehlt. Natürlich freue ich mich, wenn ich einen fehlerfreien Aufsatz bekomme, doch wie gehe ich damit um, wenn das Kind nichts hinterfragt und alles so hinnimmt, wie es ist? Jede Lehrkraft möchte Leistungen sehen, doch machen wir bitte den Schüler*innen klar, dass der Prozess ebenso wichtig ist! Wenn wir die Welt verändern möchten, müssen wir den Schüler*innen eine Sache beibringen: Es ist in Ordnung, etwas nicht zu können oder nicht zu wissen. Es ist okay, zu versagen und aufzugeben. Es ist okay, etwas Neues zu finden und anzufangen. Es ist okay, zu leben.
Gerda und Hellmut Hartmann, 76 und 82, Lünow
Wir sind ein Ehepaar das vor zwei Jahren seine goldene Hochzeit gefeiert hat. Meine Frau Gerda, Physiotherapeutin, ist 76 und ich, Hellmut, 82, bin Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Vor 22 Jahren haben wir begonnen unser Englisch an der Volkshochschule aufzufrischen – meine Frau Gerda aus Solidarität mit mir. Und ich?
Ich startete mit 35 an der Berlitz School um Englisch für meine Doktorarbeit zu lernen – meine DDR-Schule hatte nur Russisch und Latein angeboten – und wollte jetzt Englischkurse in England besuchen (“Du wolltest doch nach England!”). Nach der Promotion hatte ich ein Modell der Steuerung von Hirnprozessen veröffentlicht. Jetzt arbeite ich an einer Erweiterung.
Neben der Volkshochschule haben wir in London und Bristol preiswerte “Practice Lessons” des International House besucht. Für drei Monate waren wir in London. Wir haben gelernt Unterhaltungen in Englisch zu führen, wenn unsere Partner langsam und deutlich sprechen (und ich meine Hörgeräte richtig eingestellt habe). Lesen von wissenschaftlichen Texten ist kein Problem. Ein großer Gewinn war die Möglichkeit etwas englisches Leben kennenzulernen (wie das Bedanken beim Fahrer nach jeder Busfahrt)… Gerda hat nach Beendigung ihrer Arbeit eine Ausbildung und Tätigkeit als Schulmediatorin begonnen. Sie kann inzwischen andere “Rentner-Neulinge” darin anleiten.
Auch wollte sie immer singen lernen und ich liebe es, auf dem Klavier zu improvisieren. So wurden wir vor zwei Jahren Mitglieder eines Gospel-Chores. Das Singen mit den anderen ist meist eine tolle Sache. Gospel-Musik und mehrstimmiges Chorsingen sind jedoch häufig anspruchsvoll. Um mit den “älteren” Chormitgliedern mithalten zu können begannen wir vor einem halben Jahr mit Sing-Unterricht. Diese 45 Minuten pro Woche mit unserer Sängerin (und Komponistin) genießt besonders Gerda – und wenn ich mit einstimmen darf auch ich… Lernen ist nach meiner Erfahrung ein Grundbedürfnis, das wegen Arbeit- und Kinderbetreuung oft zu kurz kommt. Im Alter ist es, wenn man auf seine Kräfte und das nachlassende Gedächtnis achtet, eine gute und spannende Geschichte.
Ursula Bub-Hielscher, 67, Filmemacherin und Heilpraktikerin Psych., Berlin
@alusruh
Mein letztes Mal, als ich dachte: “Warum habe ich das nicht früher gewusst”, liegt genau ein Jahr zurück. Ich war in der Schmerzklinik, da ich seit zwölf Jahren täglich krampfartige Schmerzen habe, und hörte im Aufnahmegespräch: “Wahrscheinlich haben Sie auch noch ADHS.” Es bestätigte sich. Die Dimension dessen ging mir erst im Laufe der Zeit auf.
Meine Mutter nannte mich schon als Kind Schussel und ich habe 66 Jahre lang versucht, meine Schusseligkeit zu verbergen bzw. sie zu besiegen. Da war immer, immer diese Anstrengung mit den Regeln in der Welt einigermaßen klar zu kommen, das pausenlose schlechte Gewissen zu spät, zu intensiv, zu schlampig, zu aggressiv zu sein. Gleichzeitig rannte ich als Rebellin ständig gegen zu enge Grenzen an.
Da mein Vater meinte, ich brauche kein Gymnasium, bin ich früh, mit 16, von Zuhause weg. Nach einer Lehre im Hotelfach ging ich zum Abendgymnasium, Abschlussnote: 0,8. Zuvor war ich sitzen geblieben. Ich lernte, denn wenn mich was brennend interessiert, kann ich mich sehr gut konzentrieren und Höchstleistungen vollbringen.
Was wäre also wenn? Hätte ich als Jugendliche vom ADHS gewusst und Medikamente bekommen, ich wäre glatter bis zum Abi gekommen. Aber hätte ich auch dieses Selbstbewusstsein entwickelt, diese Stärke, die entsteht, wenn du den eigenen Weg suchst und auch findest?
Psychologie wollte ich studieren und scheiterte. Ich war unfähig, dieses Statistikzeug zu pauken. Außerdem war ich politisch im ersten nur von Frauen besetzten ASTA engagiert, als Pressefrau. Dabei zeigte sich, dass meine Neugier, Dinge zu erforschen nicht nur in der Psychologie, sondern auch im Journalismus ihren Platz finden könnte. Ich gründete die erste überregionale Studentenzeitung und sammelte mit anderen zusammen die Nachrichten aus den Unis der Republik, redigierte sie ein bisschen und verteilte sie.
Über die Gründung der TAZ und meinem Wunsch etwas von den etablierten Medien zu lernen, landete ich beim Fernsehen und arbeitete letztlich fast 30 Jahre als Reporterin, Redakteurin und Filmemacherin bei der ARD.
Weil mich Geschichten von Menschen in Krisen, die Frage, welche Lösungs- und Entwicklungswege es gibt, so sehr interessierten, habe ich zehn Jahre lang hauptsächlich Filme mit Menschen in Krisen und ihre Wege zurück ins Leben produziert. Das hat mich schließlich auch wieder zu meinem ursprünglichen Wunsch Psychotherapeutin zu werden zurückgebracht. Neben der Filmemacherei lernte ich in drei mehrjährigen psycho- und körpertherapeutischen Ausbildungen Menschen zu begleiten. Vor allem aber lernte ich mich kennen, meine Blockaden und Traumata aufzulösen, aber ich wusste eben nicht, dass eine neurologische Andersartigkeit, das ADHS, mir manches schwer macht. Deshalb übte ich mich in Meditation und Yoga, um das auszugleichen.
Mit 50+ lernte ich für die Prüfung zur Heilpraktikerin Psych. und bestand sie mit Bravour. Über zehn Jahre begleitete ich Menschen in Einzel- und Gruppenarbeit und produzierte parallel Dokumentarfilme. Was wäre wenn… Manches wäre wohl mit einer frühen Diagnose meines ADHS glatter gelaufen, aber hätte ich all das gelernt? Ich denke nicht. Die Freude am Lernen und die Begeisterung haben auch dazu geführt, dass ich heute am Leben meiner jüngeren Freundinnen teilnehmen kann und ich ihnen aus meinem reichen Erfahrungsschatz was abgeben kann.
Maria J. Trucker, 63, Wien
Während meiner schulischen Laufbahn gab es keine Vorbereitung, wie man Kinder ins Erwachsensein begleitet, PC, Handy, digitale Fotografie oder einen 3D-Drucker gab es auch nicht. Ich hatte schon viele unbeantwortete Fragen und zu diesen kamen neue dazu.
Oft erhielt ich die Antwort: “Du sollst nicht alles hinterfragen.” Aber ich brauchte die Antworten und fand sie in Büchern. Meine Berufsausbildung war nicht meine erste Wahl, aber sie brachte mich zur digitalen Datenverarbeitung. Zu diesem Zeitpunkt war ich im österreichischen Nationalteam und bin Skibob gefahren, wollte als Designerin mein Leben finanzieren und mein Interesse galt der digitalen Weiterentwicklung. Ich machte die Matura, arbeitete als Designerin und Stuckbildhauerin, besuchte Programmierkurse und kaufte mir den ersten PC. Immer wieder konnte ich mein Wissen beruflich nutzen. Auch meine zwei Jungs staunten: “Mama, warum kennst du dich so gut beim PC aus?” Sie schleppten ihre Schulkollegen an und es machte mir Spaß mein Wissen weiterzugeben.
Seit dem Wintersemester 2018 studiere ich Soziologie an der Universität Wien, um mit meinen 63 Jahren einen leichteren Zugang zu Bibliotheken und zu Onlinebüchern zu haben. Wichtig ist mir auch der Kontakt mit jungen Menschen, die erst am Beginn ihrer Berufslaufbahn sind. In etwa 20 Jahren werden viele den Zenit ihres Berufslebens erreichen und ich denke, dies müsste auch nach dem 60. Geburtstag möglich sein. Viele der Pensionisten könnten in diesen 20 Jahren auch diesen Weg gehen. Das Selbstwertgefühl älterer Menschen wird gestärkt, sie sind ein aktives Mitglied der Gesellschaft und sie werden nicht wie wertvolle Bücher abgelegt. Dieser Gedanke drängt sich mir immer auf, wenn ich eine Wohnstätte für ältere Menschen besuche.
Autor*in
Asal Dardan ist Kulturwissenschaftlerin und Teil des Netzwerks Tabletalk Europe. Als Autorin beschäftigt sie sich unter anderem mit Pluralismus, Migration und der deutschen Erinnerungskultur. Derzeit arbeitet sie an ihrem ersten Essayband.
Was wäre, wenn…
… Bildung nie aufhörte?
Im 7. Teil unserer was wäre wenn-Reihe sprechen wir über Bildung. was wäre wenn ist das Online-Magazin der Initiative Offene Gesellschaft für konkrete Utopien. Unser Ziel ist es, Alternativen für die Gesellschaft sichtbar zu machen und potenzielle Lösungen ins Zentrum zu rücken.
Jedes Thema wird mit einer was wäre wenn-Frage eröffnet und anschließend in Essays, Interviews und in einem begleitenden Podcast diskutiert. Zum Wesenskern unseres Magazins gehört die Pluralität der Stimmen und Perspektiven. Die Inhalte werden deshalb, neben journalistischen Beiträgen, vor allem von Expert*innen aus Wissenschaften, Praxis und Zivilgesellschaft verfasst.
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